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Bettina Eichin 

(* 1942 Bern)

Brunnen gegen die Zollfreistrasse

1993, Bronze und Jurakalkstein 

Am Ende des malerisch gelegenen Lampiwegs im Schlipf steht der prächtige  Jurakalkstein-Brunnen der Bildhauerin Bettina Eichin. Auf ihm thront ein Bronzetafelaufsatz mit Seitenflügeln.

 

Der Brunnen ist umgeben von kleinen Rebhütten, von Schafställen und Hühnern des anliegenden Hofs und von zarten Bächlein, die den Berg hinabfliessen und sich den Weg durch die grünen Wiesen und Weinberge des Schlipfs bahnen. Verweilen Sie für einen kurzen Moment in dieser wunderschönen Landschaftsidylle, um den Umstand der Entstehung dieses Brunnens zu verstehen.

 

Der Brunnen ist ein Symbol des Protests gegen den Bau der umstrittenen Zollfreistrasse, die Sie mittlerweile auf der rechten Seite direkt am Fusse des Schlipfs sehen können.

 

Der Grundstein für die Strasse wurde bereits 1852 gelegt. Damals schlossen die Schweizerische Eidgenossenschaft und das Grossherzogtum Baden einen Staatsvertrag ab, der die Errichtung einer zollfreien Verbindungsstrasse zwischen Lörrach und Weil am Rhein vorsah. Mit dem Bevölkerungswachstum und dem zunehmenden Verkehr in den 1950er-Jahren kam die Debatte um den Bau erneut auf. Die 760 m lange deutsche Bundesstrasse auf Schweizer Boden sollte den Lastverkehr umleiten, eine Verkehrsberuhigung für Riehen bewirken und den freien Verkehr zwischen den deutschen Gebieten ermöglichen. Da die Strasse allerdings direkt durch den Auenwald und Naturräume führen würde, wehrten sich Anwohner*innen aus Riehen und viele Naturschützer*innen jahrzehntelang gegen den Bau. Die Ablehnung führte so weit, dass zwei Landbesitzer im Schlipf die Bildhauerin Bettina Eichin mit der Gestaltung eines Mahnmals beauftragten. Im Herbst 1993 wurde der Brunnen errichtet und im April 1994 mit grosszügiger Unterstützung der Gemeinde eingeweiht. Zu dieser Zeit war der Auenwald noch unversehrt. Der Fällbefehl war jedoch bereits zu Beginn des Jahres erteilt worden. Der Bau der Zollfreistrasse zögerte sich bis 2007 hinaus und wurde schliesslich 2013 für den Verkehr freigegeben.

 

Der Nutzbrunnen zeigt in der bronzenen Mitteltafel ein üppiges Stillleben aus vielen Blumen und Früchten in einem geschützten Kasten. Eingerahmt wird dieser Kasten von Altarflügeln, die bei Bedarf geschlossen werden können.

 

Den Grundgedanken des Brunnens formulierte Bettina Eichin 1994 wie folgt: «Ruhe gegen Zerstörung, Natur gegen Gewalt, Weisheit gegen Dummheit». Die überlebensgrossen Früchte sollen betonen, wie wichtig die Natur und ihre Erzeugnisse für die Menschen sind. Der langjährige Kampf wird sichtbar in der Spitzhacke, dem Blitz und der Beschädigung an der Oberkante der Mitteltafel. Die an ein Triptychon erinnernden Seitenflügel sollen dagegen den Schutz für den Garten symbolisieren. «Das Strassenschild Zollfreistrasse ist umgedreht, verkehrt, es meint die Dummheit und den Irrsinn dieser Strassenplanung, die verkehrte Welt […]», sagte Eichin.

Zu diesem Zeitpunkt war noch unklar, ob die Strasse tatsächlich gebaut wird. Daher ist das Werk von Eichin auch ein Hoffnungsschimmer, wie sie selbst bei der Einweihung sagte: «Vielleicht kann der Brunnen und das geformte Bild einer Rettung von Mensch und Natur aus einer von Menschen entworfenen Bedrängnis ein wenig zu Aufklärung, Erinnerung und Mahnung beitragen.»

 

Bettina Eichin wächst in Bern und Freiburg im Üechtland auf. Ab 1960 besucht sie die Kunstgewerbeschule in Bern, absolviert eine Steinmetz- und Bildhauerlehre und schliesst diese in der Berner Münsterbauhütte ab. Nach der Ausbildung folgen längere Arbeitsaufenthalte in Israel und Griechenland sowie gelegentliche Aufträge zur Restaurierungen antiker Skulpturen und Keramiken bei archäologischen Grabungen. Seit 1969 wohnt und arbeitet Bettina Eichin in Wildtal bei Freiburg im Breisgau. Ab 1978 entdeckt sie neue Ausdrucksmöglichkeiten durch die Gestaltung von Skulpturen für den öffentlichen Raum, nimmt sich ein Jahr darauf ein Atelier in Basel und wendet sich dem Werkstoff Bronze zu. Sie ist in Basel bekannt für ihr kunstpolitisches Engagement. Ihre monumentalen Bronzefiguren enthalten engagierte Botschaften und Symbole, die in intensiver Auseinandersetzung mit dem Ort entstehen. Ab 1980 modelliert sie die Figuren im Massstab 1:1 in Wachs und lässt sie direkt in Bronze giessen (cire perdue). Dabei handelt es sich um ein Verfahren, das bei kleinsten Ungenauigkeiten zum Verlust von Teilen am Modell führt und den Giessvorgang somit verunmöglicht. Jedes Werk ist daher ein Unikat.

 

Weitere bekannte Bronzearbeiten in Basel sind die Skulptur der Helvetia bei der Mittleren Rheinbrücke und die Markttische im Kreuzgang des Münsters, die an eine historische Katastrophe Basels erinnern sollen.